Ein Verkehrsunfall ist, wenn nur Blech beschädigt ist, mindestens ärgerlich und kommt häufig auch zur Unzeit. Richtig ärgerlich ist ein Unfall dann, wenn das nagelneue Auto unverschuldet beschädigt wurde. Oft hat man lange auf das neue Auto gespart, dazu meist noch lange auf die Lieferung gewartet und dann wird es kurz nach der Übergabe von einem Dritten beschädigt.
Die Rechtsprechung sieht vor, dass bei der Beschädigung eines Neuwagens bei einem unverschuldeten Unfall die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners den Preis für den Neuwagen ersetzen muss. Dies gilt nach der Rechtsprechung für Unfälle, die innerhalb eines Monats nach der Erstzulassung des Neufahrzeugs geschehen sind und wenn die Laufleistung des Fahrzeugs zum Unfallzeitpunkt maximal 1000 Kilometer betrug. Es handelt sich um starre Grenzen, deren Überschreitung einer dieser Grenzen für eine Abrechnung auf Neuwagenbasis den Raum entfallen lässt. Zudem muss an dem Fahrzeug ein erheblicher Schaden entstanden sein, d.h. es darf sich jedenfalls nicht nur um einen Bagatellschaden handeln.
Der Bundesgerichtshof (BGH) verneint fiktive Abrechnung
Der Bundesgerichtshof hat nun mit Urteil vom 29.09.2020 (Az: VI ZR 271/19) klargestellt, dass eine sogenannte fiktive Abrechnung auf Basis des Neuwagenpreises nach einem Unfall nicht möglich ist. Der Neuwagenpreis wird als Schadensersatz nur ersetzt, wenn der Geschädigte nach dem Unfall auch tatsächlich anstatt der Reparatur des beschädigten Fahrzeugs ein fabrikneues Ersatzfahrzeug erwirbt. Der Neupreis für ein fabrikneues Ersatzfahrzeug wird also nur dann ersetzt, wenn dieses fabrikneue Ersatzfahrzeug auch tatsächlich angeschafft wird.
Dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes liegt die Überlegung zu Grunde, dass der Geschädigte so gestellt werden soll, als sei das schädigende Ereignis nicht eingetreten. Darüber hinaus darf der Geschädigte wählen, ob er/sie fiktiv, also beispielsweise auf Basis eines Gutachtens, abrechnet oder eine konkrete Abrechnung des Schadensfalles vornimmt, z.B. auf Basis einer Reparaturrechnung. Die Grenzen erfährt die Abrechnung in der Wirtschaftlichkeit, d.h. der Geschädigte darf sich an dem Schaden nicht bereichern. Rechnet der Geschädigte aber auf Basis des Neuwagenpreises ab, ohne konkret ein fabrikneues Ersatzfahrzeug zu kaufen und erhält somit den Neupreis ersetzt, bezahlt stattdessen aber nur die Reparatur des beschädigten Autos, ist der Geschädigt bessergestellt als vor dem Unfall, also bereichert. Denn in diesem Fall ist der Schaden beseitigt, das Auto ist repariert, eine Wertminderung ist bezahlt und trotzdem ist für den Geschädigten noch (viel) Geld, nämlich die Differenz zum Neupreis des Fahrzeugs übrig.
Bei jedem Verkehrsunfall sollten Sie sich sofort anwaltlich beraten lassen, dies gilt erst recht ganz besonders dann, wenn ein neues Fahrzeug beschädigt wurde. Wir beraten Sie gerne.
Der Autor, Rechtsanwalt Sven Nowag, ist Fachanwalt für Verkehrsrecht und damit Ihr richtiger Ansprechpartner für alle Fragen rund ums Auto.